Mittwoch, 15. August 2012

"Nichtstun...

Und was sich daraus machen lässt" heißt das Augustheft von dem Wirtschaftsmagazin brand eins. Ich kaufe es in der lustlosen Stimmung nach der (letzten!!!) Chemo - weil ich ja seit der Diagnose am 29. März mal wieder versuche, Expertin dafür zu werden. Mit wechselndem Erfolg, wie schon beim ersten Langzeitversuch in der Kinder-Auszeit. Nichtstun ist nämlich nicht wirklich leicht, eigentlich gehört es auch zu den Dingen, die wir als Kinder wunderbar können, und später dann zu oft mit schlechtem Gewissen absolvieren, mit Medienkonsum wegdrücken oder mit Erlebnis-Konsum vollstopfen.

Vorbilder: Vincent, Tinu und Joni am Chiemsee
Ich blättere also mäßig aufmerksam durch das Heft und lande bei dem Artikel "Unternehmen lassen. Wie bereiten wir Menschen auf eine Welt vor, die wir nicht kennen?- Ausblicke in die Bildungslandschaft von morgen." Aha, mal wieder ein Artikel über Schülerfirmen, denke ich, ein Thema, dem ich ambivalent gegenüberstehe: Einerseits sehe ich darin Möglichkeiten für Schüler, zu gestalten, etwas "Echtes" zu tun, Erfahrungen zu machen, andrerseits fände ich es schade, wenn uns Pädagogen als einziger neuer Motivationsmotor nur Gewinnstreben einfiele.
Doch der Artikel bringt es dann doch genau auf den Punkt: "Wie werden Menschen, egal welchen Alters, wissbegierig? Wie weckt man ihr Interesse? Wie hilft man ihnen, etwas zu entdecken, für das sich sich begeistern können?" Bei Schülern gelingt mir das immer mal wieder ganz gut, die ursprüngliche Neugier und Experimentierlust und Lebensfreude hält sich ja auch im Standardschulbetrieb zäh bis in höhere Klassen, schwieriger wird es aber bei Kollegen. Und doch finde ich gerade das eine ganz wichtige Frage: Welche Erfahrungen können es Kollegen mit 5, 10, 20 Dienstjahren auf dem Buckel ermöglichen, den Punkt in sich zu finden, wo sie trotz Schulalltag, im Schulalltag Lust haben auf Veränderung? Welchen Rahmen, welchen Raum der Wünsche (Harry Potter, Band 5, siehe späterer Post) könnte man dazu anbieten? Wenn ich den Schülern gegenüber eine neue Haltung einnehme (von dem brand eins Autor Carsten Jasner so zusammengefasst: "Die Schule macht Angebote, aber der Schüler entscheidet, was er braucht. Der Lehrer steht ihm bei, nicht mehr vor. Der Lernende als Entdecker und Abenteurer."), dann möchte ich ja mit genau dieser Haltung auch dem Schulentwicklungsprozess begegnen.
Tabu scheint mir für den Anfang alles, was mehr Arbeit macht und lästig ist: Formulare, Strukturpläne, Reporting. Hilfreich ist alles, was Beziehungen untereinander stärkt: Lehrerausflüge, Wandernachmittage, Gespräche im Lehrerzimmer jenseits von Klagen und Frust ablassen, Studienfahrten und Ausflüge, bei denen Zeit ist, miteinander zu reden, vor allem aber: eine Variante von Water-Cooler-Kultur. Wenn wir uns diesen Freiraum schaffen würden, ernsthaft,  dann müsste schon mal das ganze Stundenplangehetze über Bord gehen! Weil wir dann eben mal im Lehrerzimmer vorbeikämen, um dies oder das zu organisieren oder zu tun, während die Schüler sich sinnvoll selbstorganisiert beschäftigen, und dabei spontan ein Pläuschchen mit dem Kollegen halten können. Das wäre dann genau so ein Moment von Nichtstun, aus dem was werden könnte, weil eben diese eine Idee nur in diesem einen Moment in der Begegnung zwischen diesen Menschen geboren werden konnte.

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